Sound of Stuttgart – Club Playlists

Gibt es ihn, den Sound of Stuttgart? Anhänger:innen der Stuttgarter Musikszene in den Mid-90s würden auf diese Frage eine wohl sehr eindeutige Antwort geben: HipHop natürlich! Mit dem 0711 Club am Pragsattel hat sich in Stuttgart ein HipHop Netzwerk etabliert, dank dem kurz vor der Jahrtausendwende die Beats von Freundeskreis und den massiven Tönen von Gaisburg bis auf die Karlshöhe zu hören waren. In den letzten Jahren hat sich die Stuttgarter Musikszene verändert.
Etablierte Institutionen mussten schließen, neue Clubprojekte sind entstanden. Inzwischen ist der Sound of Stuttgart schwer zu definieren – elektronische Musik findet viel Anklang in der Stadt, aber auch der HipHop Einfluss der 90er ist nach wie vor präsent. Auf einen gemeinsamen Nenner kommen die Musik-Fans unterschiedlicher Genre in Stuttgart dennoch. Das Stuttgarter Nachtleben lebt von seiner Vielfalt und genau diese Diversität muss bewahrt werden. Um die Bandbreite an musikalischen Möglichkeiten in der Stadt zu unterstreichen, haben wir drei Stuttgarter Clubs besucht, deren Resident DJs uns Playlists auf Spotify kuratiert haben. Die Partynacht beginnt unter Wasser, schenkt uns einen Throwback in die Stuttgarter 90s und endet mit elektronischer Klangvielfalt im minimalistischen Bunker-Style.

Schräglage – There is a Home for HipHop

Ob Jazzy Jeff, Dardan, Juju, Nura oder Stormzy – ob Deutschrapparty, Comedy-Lesung oder Deichkind Konzert– in der Schräglage treffen sich seit inzwischen 16 Jahren die verschiedensten Spielarten von HipHop in all ihren Facetten. Die Erfolgsstory des Clubs startet 2006 mit einer kleinen Bar, einer Dachterrasse und guter Musik mitten in Stuttgart. Was als kleines Spaß-Projekt begonnen hat, ist heute eine deutschlandweit bekannte Hausnummer für HipHop, in der sich Künstler:innen wie Marteria oder Paula Hartmann die Klinke in die Hand geben. Die Schräglage gehört zur Stuttgarter Musikszene genauso wie der Fernsehturm auf die Waldau –zwischen DJ-Sets, Konzerten oder Kulturveranstaltung erinnert uns die Schräglage wöchentlich: There is a Home for HipHop in Stuttgart!
Max aka. LEBRAUNIE feiert die Schräglage mit einer Playlist, die so viele verschiedene Stile und Artists vereint, wie es bei dem Stuttgarter HipHop Club so üblich ist. In einer Stunde und achtunddreißig Minuten vibed Jack Harlow mit viko63, Cardi B und Stromzy trinken einen Vodka Martini mit Haftbefehl und CRO darf natürlich auch nicht fehlen. Kopfhörer auf, tanzbare Sneaker an und Playlist auf Repeat!

Über den Kurator

Wenn Musik in der Schräglage läuft, kann Max nicht weit sein. Der 23-jährige Stuttgarter ist Teil des Booking und Marketing Teams der Schräglage bei 0711 Entertainment und fühlt sich nicht nur im Musik-Business, sondern auch als Artist hinter den Decks wohl. So kann es auch passieren, dass man Max, der sich als Artist LEBRAUNIE nennt, auf der Bühne beim Stuttgarter Konzertsommer auflegen sieht.

Fridas Pier – Auf Wasser tanzen

Im Stuttgarter Osten zwischen Gaskessel und Stadtstrand liegt die wohl außergewöhnlichste Clublocation Stuttgarts – im August 2019 ist Fridas Pier in See, beziehungsweise in den Neckar, gestochen. Seitdem liefert das Clubschiff Sounds auf dem Sonnendeck und im Schiffsuntergrund. Die alte Kohleverladestelle in Gaisburg kann die Location ihren Heimathafen nennen, wo früher Industrierohstoffe lagerten, dröhnt jetzt dort der Bass unter Wasser. Wer also sein Bierchen oder seinen Gin Tonic in Urlaubsatmosphäre auf dem Schiffsdeck genießen möchte, nur um nach Sonnenuntergang im Schiffsbauch zu bekannten Klangkünstler:innen wie Anna Reusch oder zu Stuttgart Originals wie Igor Tipura, Konstantin Siebold oder Tamara Wirth bis zum Morgengrauen unter und über dem Neckar zu tanzen, ist bei Frida goldrichtig!
Die Playlist vom Stuttgart DJ-Duo Zeitverschiebung taucht tief in die Welt des melodischen Techno ein. Mal mit Vocal-Einflüssen, mal nur mit klangvollen Rhythmen vermittelt die Playlist einen erkennbaren, roten Faden und die fast drei Stunden vergehen wie im Flug. Harmonische Sound-Komposition vermitteln das Feeling eines Sommerabends auf Fridas Pier – entspannt, entschleunigt, aber mit viel Dancefloor-Potenzial.

Über die Kuratoren

Wenn man Zeitverschiebung nach ihrem Musikstil fragt, antwortet das Stuttgarter DJ-Duo mit Deep House Beats und melodischem Techno. Ihre Live-Sets stehen für einen emotionalen, komplexen Sound – wobei die beiden Musiker hinter den Decks nie den Vibe auf der Tanzfläche aus dem Blick verlieren. In Stuttgart ist Zeitverschiebung vor allem in Clubs wie Fridas Pier, dem White Noise oder auch dem Freund & Kupferstecher ein bekannter Name, bei Gastspielen konnten auch schon Techno-Fans in Köln und Dublin zu den elektronischen Beats der beiden DJs tanzen.

White Noise – Wer braucht schon Berlin?

In der Musik verloren gehen und im Morgengrauen bei Vogelgezwischter aus dem Club stolpern und sich bereits auf das nächste Wochenende freuen? Willkommen im White Noise! Um Kultur mit Musik verschmelzen zu sehen, ist ein Hauptstadtausflug mehr als überflüssig, denn in der Eberhardstraße ist ein Club-Kultur-Hybrid zuhause. Das White Noise ist in zwei Räume aufgeteilt. Mit Bar und Café ist die eine Location der perfekte Ort für einen After-Work-Drink, dort finden auch regelmäßig Live-Konzerte, Kinovorstellungen, Lesungen, Ausstellungen und hin und wieder sogar Tischtennismatches statt. Der gegenüberliegende Raum beheimatet einen Club, der mit minimalistischem Stil im Beton-Look als Veranstaltungsort für Underground-Raves genauso wie für entspannte, elektronische Sets geeignet ist.
Mit vier kuratierten Playlists beweist das White Noise, wie vielfältig es musikalisch aufgestellt ist. Die erste Playlist kommt von Chiara, aka. Chichi Frizzante und lässt uns 43 Minuten lang zu melodischen Italo-Disco-Beats tanzen – mit passendem Aperol Sour in der Hand und spätsommerlichem 90s-Outfit auf einer städtischen Dachterrasse garantiert Chiaras Playlist Urlaubsgefühle pur.

Über die Kuratorin

Chiaras Sound lässt sich als Italo Disco à la „Dolce Vita“ beschreiben – hinter den Decks hat sie bereits die Crowd im Kultur Kiosk und im White Noise zum Tanzen verführt – oder gemeinsam mit Discoteca Synthetica für das ultimative Urlaub-in-Italien-Feeling gesorgt. Mit anderen, jungen Musikkünstler:innen aus dem Stuttgarter Umkreis hat sich Chiara für das DJ-Kollektiv Kippen & Kosmetik zusammengeschlossen.
Let’s get groovy – Nico aka. Egotot schenkt uns 46 Minuten voller experimentellen Rhythmen und Tracks mit abwechslungsreichen Instrumentaleinlagen. Mit einem Mix aus teils melodischen und teils sehr schnellen Beats sorgt das breite Spektrum an Klangvielfalt dafür, dass die Playlist sowohl beim alltäglichen Arbeiten am Laptop, als auch abends beim gemeinsamen Tanzen in der Küche auf Repeat laufen kann.

Über den Kurator

Seinen Sound beschreibt Egotot als schnellen, impulsiven Techno. Die Musik und das Tanzen begleiten den DJ schon seit vielen Jahren: Sein perkussiven, groovingen Stil ist besonders durch seine beruflichen Erfarhungen als Breackdancer geprägt. Seit 2019 ist er außerdem Gründer des Musiklabels Schimmer Records und konzentriert sich seitdem auf elektronische Musik in allen Formen und Klangfarben.
40 Minuten atmosphärisch-melodische Beats liefert uns Annéke Laurent, der mit seinen experimentell-instrumentalen Tracks mit teilweise präsenten Vocals einen spannenden Kontrast zu den anderen White Noise Playlists bietet. Während die Playlist mit schnellen Beats startet, geht sie gegen Ende in fast schon melancholische Klänge über kreiert so einen roten Faden, der mithilfe eines Mix aus verschiedenen Subgenres wie Dub, Techhouse und Minimal die Zuhörer:innen vergessen lässt, dass es sich hier um eine Playlist und nicht um ein Mixtape handelt.

Über den Kurator

Mit seiner Musik verfolgt Annéke Laurent das Ziel, alle ihm bedeutsamen Faktoren der Musik intuitiv und aussagekräftig in seinen Sets zu vereinen. Den Stuttgarter DJ gibt es in dieser Form bereits seit 2009, zu dieser Zeit entstand aus dem DJ Synonym „"Geoff Bell" der Stuttgarter Act "Annéke Laurent", der sich mit seiner ersten EP auf  Vekton / V:ee Recordings präsentierte. Beim Feiern im White Noise stehen die Chancen gut, Annéke anzutreffen – der Stuttgarter DJ legt regelmäßig in der Eberhardstraße auf.
MPEG vereint viele elektronische Genres in seiner Playlist. Manchmal melancholisch, manchmal minimalistisch aber immer abwechslungsreich ist es total nebensächlich, ob seine Tracks im Autoradio, im Office oder mitten auf der Tanzfläche laufen. Die Playlist überzeugt mit 49 Minuten Kurzweiligkeit und so können sowohl geübte Techno-Hörer:innen als auch Musik-Fans im Stilfindungsprozess bei MPEGs Songs auf Play klicken.

Über den Kurator

Der Stuttgarter MPEG ist kein Neuling hinter den Decks – bereits seit fünf Jahren hat der DJ mit dem Produzieren begonnen. Seitdem hat sich sein Sound in Richtung 90er und 2000er House und Tech-House entwickelt, wobei sich der Kunststudent von der zugehörigen UK-Szene inspirieren lässt. Wer die Tracks von MPEG nicht nur über Kopfhörer, sondern auch bei voller Lautstärke in guter Qualität im heimischen Wohnzimmer hören möchte, kann sich eine seiner Platten kaufen, die unter seinem Künstlernamen MPEG bei UK-based Labels erschienen sind. Wenn der Stuttgarter nicht gerade im Studio an neuen Sounds bastelt, unterhält er die Crowd des White Noise regelmäßig als Resident DJ.
Fotografien von Matthias Straub, Support von Pauline Schumann

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