Sarah Zimmermann
11.10.2024

4 Minuten mit Gaisma

Musikerin, DJ, Tänzerin, Yoga-Lehrerin und Künstlerin – was kann Alisa Scetinina eigentlich nicht? Die Stuttgarterin, die vielen unter ihren Pseudonymen Gaisma, Tumsi oder Sceti bekannt sein dürfte, legte schon früh viel Wert auf Kunst als eigene Ausdrucksweise. In Lettland geboren, hat die 30-Jährige nach einer Ausbildung an der Riga Choreographic School in München an der Hochschule für Musik und Theater Ballett studiert. Anschließend tanzte sie u. a. an der Bayerischen und Stuttgarter Staatsoper.
Vor einigen Jahren kam außerdem noch die Musik als Leidenschaft dazu. Erfahrung an der Violine und dem Klavier hatte Alisa bereits, das Produzieren und Auflegen brachte sie sich selbst bei. Mal elektronisch inspiriert, mal mit Einflüssen aus ihrer Heimat Lettland, verbindet sie als Tänzerin, Musikerin, Produzentin und DJ in ihren Performances audiovisuelle Elemente mit Improvisation und Bewegung. Einen Eindruck davon bekommt man ab 15. November auf ihrem neuen Album „Motherland“. Wir haben die vielseitige Künstlerin zum Interview in der Seilbahn getroffen.
gaisma.spaceinstagram.com/__gaisma__instagram.com/_tumsi_
Deine Tätigkeit in einem Satz?
„Menschen mit verschiedenen Medien auf unsere Psyche aufmerksam machen und sie dazu zu bringen, zu reflektieren und auf der mentalen und körperlichen Ebene flexibel zu bleiben.“
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
„Meine Morgenroutine bleibt fast immer gleich: Ich stehe auf, mache meine Mediation, singe meine Mantras oder mache Atemübungen. Manchmal mache ich mir eine Kerze an und praktiziere Tai Chi oder Qi Gong. Was danach passiert, ist immer unterschiedlich!“
Auf welches deiner vergangenen Projekte bist du besonders stolz und warum?
„Auf „Die Seele am Faden“, ein Projekt, das ich mit Friedemann Vogel und Thomas Lempertz umgesetzt habe. Das Projekt hat mich wieder dahin zurückgebracht, in Kunst einen Sinn zu sehen. Als Corona kam und all die Kriege habe ich ein bisschen den Sinn für Kunst verloren. Wer braucht Kunst, wenn es erst einmal um das reine Überlebensbedürfnis geht? Diese Produktion hat mir gezeigt: Es macht viel aus! Und meine erste Platte war natürlich auch ein Dream come true. Dieser Moment, die Musik mit einer Band einzuspielen, hat für mich bedeutet: Ich hab’s geschafft!“
Alisa Scetinina alias Gaisma steht mit einem Lächeln in der Tür der Seilbahn in Stuttgart. Sie trägt einen grünen Rollkragenpullover und darüber ein violettes Jacket sowie eine grüne Tasche, auf ihrem Kopf sitzt eine Schiebermütze.
Wofür nimmst du dir gerne Zeit?
„Ich lese gerne. Wenn ich Qi Gong oder Tai Chi mache, fühle ich mich sehr connected. Manchmal mag ich es auch, meine eigene Körperpflege herzustellen! Ich habe zu Hause viele verschiedene Fläschchen und Salben, die ich dann mische. Man weiß nur nicht immer, was dabei herauskommt!“
Was erwartet uns auf deinem neuen Album „Motherland“?
„Ich bin damals mit 15 alleine nach Deutschland gekommen. Und all diese Gefühle, die ich in mir habe, meine Verbindung zu „Heimat“, diese Frage „Wo ist mein Zuhause, wo fühle ich mich zu Hause?“ waren Themen, die mich beschäftigt haben und ich wollte dafür die passende Musik und die passenden Beats finden. Gemeinsam mit Dexter haben dann diese Lyrics und Gefühle, die ich in meinem Kopf hatte, ein Zuhause gefunden.“
Wie lief die Zusammenarbeit mit Dexter als Produzent ab?
„Wir kannten uns über ein Event beim Hotel Central. Im November hat Dexi mich angefragt, ob ich dort bei einem Event auflegen will. So kamen wir ins Gespräch und wollten gerne etwas zusammen machen. Als ich mich für das Pop-Büro-Stipendium beworben habe, dachte ich mir: Das ist die Person, mit der ich mir das vorstellen kann. Dieser Jazz-/Soul-Kultur-Vibe hat einfach gematcht.“
Wie hat es dich nach Stuttgart verschlagen?
„Ich war damals wegen des Balletts in München. Ich hatte dort meinen Vertrag mit dem Theater unterschrieben, aber mit dem neuen Intendanten dort konnte ich nicht arbeiten. Deshalb habe ich angefangen, mir einen neuen Job zu suchen und war zum Vortanzen in Belgien, Schottland und habe nirgendwo etwas gefunden. Im letzten Moment habe ich einem Freund geschrieben, mit dem ich zusammen studiert habe und der in Stuttgart getanzt hat, ob er einen Kontakt für mich hat. Auf meine Mail habe ich direkt eine Antwort bekommen, kam dann hier her und habe meinen Vertrag unterschrieben. Das hat mich selbst überrascht: Ich dachte eigentlich, ich gehe ganz woanders hin, vielleicht nach Australien, um dann am Ende zwei Stunden entfernt von München zu landen!“ (lacht)
Wohin fährst du in Stuttgart am liebsten?
„Richtung Weinsteige und Werkstatthaus mit der U15 zum Eis Pinguin und natürlich die Zacke, der Klassiker!“
Welche Linie (Bus oder Bahn) wird deiner Meinung nach unterschätzt?
„Ich bin einmal von Botnang nach Feuerbach gefahren und fand die Fahrt richtig schön!“
Welcher Gegenstand darf bei einer Fahrt mit den Öffentlichen nicht fehlen?
„Ich hab öfters meinen Kassettenspieler dabei, den habe ich geschenkt bekommen. Wenn man durch einen Tunnel fährt, wird der Klang ein bisschen „shaky“. Ich finde das schön, weil man mit Spotify und Co. daran gewöhnt ist, dass der Klang immer perfekt und alles smooth ist. Hier spürt man richtig die Frequenz!“
Alisa Scetinina alias Gaisma steht vor einem Gebäude. Sie trägt einen grünen Rollkragenpullover und darüber ein violettes Jacket, auf ihrem Kopf sitzt eine Schiebermütze. Aus ihrer grünen Handtasche holt sie einen Walkman hervor, den sie in der Hand hält.
Welche versteckten Juwelen oder Geheimtipps würdest du Besucher:innen in Stuttgart empfehlen?
Feinkost Panzer! Dort arbeite ich auch ab und zu. Solche Einzelhandelsläden gibt es nur noch ganz wenige, aber es hat so einen richtigen Charme.“
Was kann Stuttgart besser als andere Städte?
„Vernetzung. Das war als ich am Anfang nach Stuttgart kam direkt ein Bonuspunkt. Ich mag es nicht, dass man wie zum Beispiel in Berlin ständig super weit irgendwohin fahren muss, gerade an Arbeitstagen. Hier ist es – egal, wo ich bisher gewohnt habe, ob im Westen oder Bad Cannstatt – nie ein Problem, nachts mit Bus und Bahn wieder nach Hause zu kommen.“
Wovon könnte sich Stuttgart noch eine Scheibe abschneiden?
„Etwas lockerer zu sein – ich weiß aber nicht, ob das ein Thema in Stuttgart oder mit Deutschland generell ist! (lacht) Dieses Schwarz-Weiß-Denken, das Einordnen in richtig und falsch finde ich schwierig. Dass man nicht loslassen kann, nicht einfach fühlen und sein, sondern immer die Kontrolle haben muss.“
Wenn Stuttgart eine Musikrichtung wäre, welche wäre es und warum?
„Das ist definitiv die schwierigste Frage. Ich glaube, das wären so nostalgische Beats mit Schreien, die ab und zu kommen. So „smooth, smooth, smooth …“ und dann „roooar!“ – weird shit einfach.“
Welche Stuttgarter Persönlichkeit hat dich zuletzt überrascht?
„Levin Stadler von Levin goes lightly. Wir spielen bald zusammen und ich habe ihn in seinem Atelier besucht. Ich habe ein Video von mir gezeigt und wir haben über AI geredet. Das hat meine Sicht auf AI noch mal sehr verändert! Ein wirklich spannendes Gespräch, das mir einen neuen Blick auf das Thema ermöglicht hat.“
Wenn du die Sitzbezüge in den Fahrzeugen der SSB gestalten dürftest – wie sähen sie aus?
„Ein Schachmuster in Violett und Grün!“
Welchen Merchandise-Artikel braucht die SSB noch unbedingt?
„Wenn man im Sommer kurze Sachen anhat und auf den Sitzen klebt, würde ich mir ein dünnes Tuch wünschen, dass man zwischen sich und den Sitz legen könnte, damit es nicht so „sticky“ ist!“
Alisa Scetinina alias Gaisma sitzt lachend in der Seilbahn, das ist durch das Fenster aufgenommen, in dem sich der Wald spiegelt. Sie trägt einen grünen Rollkragenpullover und darüber ein violettes Jacket, auf ihrem Kopf sitzt eine Schiebermütze.
Was ist dein skurrilstes Erlebnis mit den öffentlichen Verkehrsmitteln?
„Manchmal passieren einfach unerwartete Situationen, die man sonst nicht erleben würde. Kürzlich hat mich eine ältere Frau in der Bahn nach einem Taschentuch gefragt und ich hatte leider nicht mal eins, aber irgendwie sind wir ins Gespräch gekommen und haben uns dann über Gott und die Welt unterhalten. Sie meinte, vielleicht käme ihr Schnupfen gar nicht daher, dass sie krank werde, sondern dass sich etwas in der Welt verändert und das sozusagen in der Luft liegt. Und genau solche Gedanken habe ich manchmal auch! Wir haben uns beide nur das Beste gewünscht.“
Wenn du einen Song über öffentliche Verkehrsmittel schreiben müsstest, wie würde er heißen?
„Uncertain Movements.“
Wenn du einmal die Möglichkeit hättest eine Ansage in Bus oder Bahn zu machen, was würdest du den Fahrgästen gerne mitteilen?
„Be aware of your thoughts!“

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